Interview mit Sandro "Tiz" Mehlberg (DasRockt-Magazin)

Ende Oktober 2013 machte Sandro "Tiz" Mehlberg vom DasRockt-Magazin folgendes Interview zum Stand der Dinge, das er auch hier freundlicherweise zur Verfügung stellt. 

 



Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Grüß Dich Torsten. Fangen wir mal am Tag nach Fauxpas an. Wie lief das Leben für Dich weiter?


Torsten Gränzer: Hallo Tiz... Nach dem Ende von Fauxpas bin ich erst einmal in ein tiefes Loch gefallen. Dreizehn Jahre mit den Jungs waren eine lange und wichtige Zeit für mich mit intensiven Erlebnissen, schönen wie traurigen. Trotzdem habe ich, soweit es ging, an kreativen Dingen gearbeitet, habe mit dem Crossover-Projekt Puls-T ein Album produziert, habe drei Bücher veröffentlicht und mit verschiedenen Songschreibern neue Stücke in ganz unterschiedlichen Stilrichtungen fertig gestellt. Seltsam, rückblickend gesehen ist doch schon einiges passiert in den letzten fünf Jahren. Es kommt mir wohl so wenig vor, weil es in dieser Zeit nur ein wirkliches Live-Konzert mit Puls-T gegeben hat. Die Bühne vermisse ich schon sehr...

Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Mittlerweile hast Du ja neben einigen Alben, ebenfalls schon drei Bücher veröffentlicht. Was war damals der Anstoß für Dich Worte nichtmehr nur zu singen sondern in längere Schriften zu verfassen und was erwartet uns in Buch vier?

 



Torsten Gränzer: Ich hatte die Bandgeschichte von Fauxpas damals als lose Fortsetzungen im Internet veröffentlicht. Freunde kamen irgendwann und sagten, ich solle ein Buch draus machen. Das ist dann auch so geschehen. Ich habe dabei gemerkt, dass ich selbst vieles loswerden und manche Situationen noch einmal durchleben kann, wenn ich schreibe. Es ist schon seltsam, wenn man plötzlich Dinge empfindet, die man als kleiner Junge oder auch Jugendlicher nicht spüren konnte. Derzeit habe ich zwei begonnene Bücher in der Schublade zu liegen, die ich momentan allerdings nicht weiter verfolge, weil mich die Musik gerade voll einspannt. Das eine Buch wird eher eine philosophisch angehauchte Betrachtungsweise zu den Geschehnissen der letzten Jahre in meinem persönlichen Leben sein, das andere und wesentlich schwerer zu schreibende Buch handelt von einer Frau, die seit Kindesbeginn über viele Jahre vom Partner ihrer Mutter vergewaltigt worden ist. Ich habe dazu unzählige Gespräche mit ihr geführt und mittlerweile steht mir diese Frau sehr nahe. Es gab oft Momente, in denen ich das Schreiben unterbrechen musste, weil ich mit der Heftigkeit der mich überkommenden Emotionen überhaupt nicht klar kam. Dennoch finde ich es wichtig, dass dieses Buch irgendwann zu Ende geschrieben wird, schon allein als Teil der Aufarbeitung. In meiner Zeit in der Psychiatrie habe ich viele Opfer kennengelernt und immer wieder treten Menschen mit derartigen Erfahrungen in mein Leben. Es macht mich sehr betroffen, dass in unserer angeblich zivilisierten Welt diese Dinge keine Einzeltaten sind, sondern in ihrem Ausmaß doch erschreckend verbreitet. Dieses Buch werde ich allerdings erst vollenden können, wenn ich zum Ausgleich wieder eine funktionierende Band habe, mit der ich über regelmäßige Auftritte auch soziale Kontakte pflege und eben auch schöne Momente habe, während ich bei der Arbeit am Buch sehr auf mich selbst aufpassen muss, mich nicht in Hass und Wut zu verlieren... 

 

Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Du warst ebenfalls in Therapie. Wie kam es dazu und kann man je zu 100% alles aufarbeiten, was einem so widerfahren ist im Leben?

 



Torsten Gränzer: Vor zwölf Jahren kam es dazu, dass ich immer wieder erkrankt bin. Ich bekam Panikzustände, konnte nicht mehr Auto fahren und dachte auch daran, meinem Leben ein Ende zu setzen. Wir waren mit Fauxpas gerade auf einem guten Weg, hatten einige Konzerte in Deutschland und Österreich geplant, die wir aber alle absagen mussten, weil ich in der Psychiatrie aufgenommen wurde. Mich hatten die Dämonen meiner Vergangenheit eingeholt, denen ich lange Jahre keinen Raum gegeben habe und da haben sich die Ängste und Gefühle eben den Weg gesucht, meinen Körper krank zu machen. Vorher hatte ich gedacht, dass, wenn ich das Saufen aufgeben würde, sich viele meiner Probleme lösen würden. Aber ich hätte mich fragen sollen, warum ich mich überhaupt ständig abschießen musste, was in meinem Leben so unerträglich war, zu Alk und Drogen zu greifen. Die Ursachen dafür lagen weit zurück. In der Therapie habe ich mich das erste Mal intensiv mit mir selbst auseinandergesetzt und erfahren, wer ich wirklich bin. Ich merkte, dass ich gar nicht so der harte Hund war, der ich dachte zu sein, habe viel Wut und Traurigkeit zurück gehalten und gelebt wie eine Maschine. Ich hatte mich verbogen, hatte mich im Job wie in der Partnerschaft mit Dingen arrangiert, gegen die sich mein Innerstes gewehrt hat. Das ging auf Dauer nicht gut. Mit diesen Erkenntnissen habe ich mein Leben verändert. Ich weiß heute, worauf ich aufgrund meiner Geschichte sehr sensibel reagiere und tue mir gewisse Dinge, von denen ich weiß, dass sie mir nicht gut tun, einfach nicht mehr an. Natürlich kann ich nicht um jeden Konflikt einen Bogen machen, aber ich merke schneller, wenn das verletzte Kind in mir angestoßen wird und kann in den meisten Fällen souveräner reagieren. Aber seine Geschichte wegwischen kann man mit einer Therapie sicher nicht und es wird Dinge geben, die immer wieder sensible Punkte berühren. Ich sehe mich noch immer auf dem Weg, die Therapie ist noch nicht beendet. Aber ich habe das Ganze erstmal überlebt, was an manchen Stationen der Reise nicht so klar war... Und ich schaue, bei all der Düsternis, die mich immernoch hin und wieder einholt, doch zuversichtlich in die Zukunft und hoffe, dass mein Leben am Ende trotz allem dann ein gutes gewesen sein wird... 

 

Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Unter dem Namen "Die Geschichtenerzähler" bist Du derzeit einzig live vertreten. Wie kann man sich eine "musikalische Lesereihe" so vorstellen?

 



Torsten Gränzer: Auf jeden Fall als eine sehr intime Sache. Ich gehe hin und wieder an Kliniken und Suchteinrichtungen, meist begleitet von einem Pianisten oder Gitarristen und einer Sängerin, lese dort aus meinen Büchern und spiele zwischendurch Songs in Akustik-Versionen. Das mache ich allerdings nur in Einrichtungen, in denen Menschen sind, die sich ohnehin in Krisen befinden, die auf der Suche nach der Ursache ihres Leidens sind, die ihrem Leben eine neue Richtung geben wollen. Ich gehe da nicht als Lehrer oder Therapeut hin, sondern berichte lediglich von meinen eigenen Erfahrungen und stelle mich den Menschen auch in Gesprächen zur Verfügung, wenn sie es wünschen. Einige ziehen dann Parallelen zu ihrem eigenen Leben. Die Aufführungen geben einigen Hoffnung, wieder aus ihren tiefen Löchern zu kommen, sind aber nur ein ganz kleiner Beitrag zum therapeutischen Prozess. Manchmal leide ich selbst während solcher Lesung, da ich da wirklich fast alle Hüllen fallen lasse, mich sehr verletzlich zeige und Dinge von mir preisgebe, die ich so nicht einfach mal erzählen würde. Aber ich habe auch das Gefühl, etwas Wertvolles getan zu haben, wenn ich gehe. 

 

Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Nun möchtest Du wieder komplett zurück auf die Bühne. Über StartNext suchst Du Förderer für dein kommendes Album. Was wird uns hier erwarten?

 



Torsten Gränzer: Ein Album, auf dem ich ein wenig zu meinen musikalischen Wurzeln zurückkehre. Ich wurde in den 80ern sehr vom Rock und Metal, aber auch von NDW und experimentellen Bands mit elektronischen Sounds beeinflusst, bevor dann der Punk kam. In eine ähnliche Richtung geht es diesmal. Generell sehe ich die Scheibe eindeutig im Rockbereich angesiedelt, was auch an den sehr gitarrenlastigen Arrangements liegt. Es ist zu merken, dass Daniel Perlick, der die Songs komponiert hat, in erster Linie Gitarrist ist, noch dazu ein verdammt guter, dessen Seele in den Songs, die mal sehr hart, mal melancholisch daherkommen, gut erkennbar ist. Ich habe mich mit seiner Art der Musik sofort sehr wohl gefühlt, weil er wirklich Gefühlsebenen in mir berührt, die ich sonst kaum erreiche. Textlich geht es wieder geradliniger und direkter zu als in der jüngsten Vergangenheit. Thematisch behandle ich das, was mich in den letzten Jahren bewegt hat, Dinge die mir oder in meinem Umfeld geschehen sind, auch mit dem Blick auf die gesellschaftlichen Zustände und darauf, wie sie auf mich wirken und was ich versuche, für mich daraus zu machen. Es gibt sowohl düstere, vielleicht schwerer verdauliche Stücke, aber auch hoffnungsvolle, mit eindeutigen, gut mitsingbaren Refrains. Für mich persönlich ist dieses Album die Weiterentwicklung von Fauxpas. Ich hoffe, dafür genug Unterstützer zu finden, Startnext ist eine gute, transparente Sache, bei der die Leute ihr Geld zurückerhalten, wenn das Förderziel nicht erreicht wurde. Es ist für mich nicht leicht, nach Geld zu fragen, aber da ich momentan keine Label-Unterstützung habe und selbst schlichtweg pleite bin, scheint es für mich der einzige Weg zu sein, eine CD zu produzieren und somit musikalisch ein Stück weiter zu kommen. 

 

Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Ohne negativ zu denken aber was würde passieren, sollte der Schuss nach hinten losgehen?

 



Torsten Gränzer: Ich wünsche mir natürlich, dass das Geld dafür zusammen kommt, so dass die CD über mein eigenes Label erscheinen kann. Mittlerweile liebe ich diese Songs und möchte die Leute gerne daran teilhaben lassen. Sollte es anders kommen, würde ich sicher nicht den Kopf in den Sand stecken und nach anderen Wegen suchen. Stagnation macht mich krank. Welche Türen in der Zukunft aufgehen, weiß ich dabei nicht. Ich könnte mir auch gut vorstellen, das Album einem professionell arbeitenden Label anzubieten. 

 

Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Bis 31.12.2013 haben Fans noch Zeit für Dich zu spenden. Ist dies nicht auch ein Zeichen wie sehr man noch in Erinnerung blieb bzw. wie präsent man noch immer ist?

 



Torsten Gränzer: Es war schon erstaunlich, was in den ersten Tagen nach der Ankündigung passiert ist. Ich hätte nicht gedacht, dass sich überhaupt jemand erinnert. Vor allem habe ich viel mentale Unterstützung bekommen. Ich wollte immer auf die Bühne zurück, wenn auch unklar war, wann und wie, aber die ganze Sache hat noch einmal einen entscheidenden Schub bekommen, als mich mein alter Fauxpas-Mitstreiter Peter beim Auftritt seiner neuen Band auf die Bühne holte und wir den Fauxpas-Song „Meine Freiheit“ spielten. Danach musste ich erst einmal für ne Weile die Halle verlassen und wirklich heulen. Mir ist schlagartig klar geworden, was mir so sehr gefehlt hat. Plötzlich war das Publikum wieder da und es war, als hätte es diese Auszeit nie gegeben. Auch in den Tagen und Wochen danach erreichten mich herzliche Reaktionen und zu sehen, was einigen Menschen unsere Musik und meine Texte bedeuten, ist für mich ein Gefühl, das ich in Worten kaum beschreiben kann. Warum soll ich das also den Leuten vorenthalten, vor allem, wenn so vieles von ihnen zu mir zurück kommt? Das hat mir den Mut gegeben, es noch einmal in Angriff zu nehmen. Von den wenigen Minuten dieses Auftritts zehre ich heute noch. Der Gedanke, jetzt zurückzukehren fühlt sich gut und richtig an. 

 

Sandro "Tiz" Mehlberg, DasROCKT!: Und 2014 geht es dann hoffentlich über das Studio wieder auf die Bühne? Welche Ziele und Träume hast Du dahingehend?




Torsten Gränzer: Ich möchte mit einer Art Best of-Programm auf die Bühne gehen, was heißt, dass sich darin neben Songs aus dem dann hoffentlich aktuellen Album auch Fauxpas-Songs und Stücke aus dem Puls-T Projekt wiederfinden werden. Dazu laufen gerade Gespräche mit interessierten Musikern, die mitunter Profis und allesamt sehr gut sind. Momentan sieht es so aus, als würden die Songs dann in eher spartanischen, aber sehr rockigen Versionen auf die Bühne kommen. Möglich ist aber auch, dass ein Piano und eine Sängerin die Band ergänzen, aber das werden die nächsten Tage ergeben. Auf jeden Fall aber soll es bald mit ersten Konzerten los gehen. Am meisten wünsche ich mir dabei natürlich, dass es wieder ein Publikum für die Songs gibt, das ähnlich begeisterungsfähig wie in den vergangenen Tagen ist. Der Moment mit dem Publikum ist durch nichts zu ersetzen. Das sind die Augenblicke, in denen ich ich selbst sein und wahrhaftig leben kann. Ein weiterer Wunsch wäre, einiges abgeben zu können, um mich wieder ganz aufs Songwriting und die Auftritte konzentrieren zu können. Ein neues Management und ein gutes Label zu finden würde mich sehr entlasten. Für die ganze Organisation drumherum bin ich einfach nicht der Typ. Privat lebe ich eher zurückgezogen, habe so gut wie allen Luxus abgestoßen, bin kaum auf Partys oder dergleichen zu finden und beschränke meine Kontakte auf die Momente mit einigen Freunden und Musikern. Gerade um dieser Einsamkeit hin und wieder zu entfliehen, möchte ich auch Konzerte spielen und hoffe, dass ich dazu viele Gelegenheiten bekomme, wobei ich mich auch sehr freuen würde, wieder auf Festivals spielen und bekanntere Künstler supporten zu dürfen. Mittlerweile sehe ich die Musik als Berufung, als etwas, das ich einfach tun muss und es ist, neben der Liebe zu meiner Tochter und einiger anderer Menschen, etwas, wofür es sich durchaus zu leben lohnt...

Back to top