Anfang März 2014 besuchte der Brandenburger Musiker und Journalist das Lütter Blockhausstudio, um mit Torsten Gränzer und Jürgen Block, Toningieneur und Produzent des neuen GRAENZER-Albums „Schattenlicht“ über jenes ein wenig zu plaudern. Zudem gibt das Gespräch auch Einblicke in Jürgen Blocks Studioarbeit und Torsten Gränzers Privatleben und ihre Meinungen zum Musikmarkt und speziellen Philosophien...
SP: Torsten, seit dem Jahreswechsel bist Du hier im Studio, mal kurz zum Projekt, was gibt es da für eine Vorgeschichte und weshalb bist Du hier?
TG: Aus verschiedenen Gründen hatte ich musikalisch nichts mehr zu tun, hatte viel geschrieben und letztendlich hat mir die Musik doch sehr gefehlt. Irgendwann dann begann ich mit verschiedenen Songwritern an neuen Stücken zu arbeiten und es entstanden einige Ideen und Visionen, was Songgestaltungen und Programme anging, wobei auch einiges herausgekommen ist, was in meinen Augen durchaus wert wäre, in den nächsten Jahren noch auf die Bühne gebracht oder wenigstens veröffentlicht zu werden. Daniel Perlick und ich sind in dieser Phase des Experimentierens in den letzten beiden Jahren am weitesten gekommen, immerhin bis zum kompletten Album, das jetzt den letzten Schliff hier beim Jürgen Block in Lütte bekommt.
SP: Jürgen Block ist das Stichwort. Dein Name ist mir schon eine ganze Weile lang ein Begriff und man glaubt gar nicht, was man hier in Lütte für ein klasse ausgestattetes Studio vorfindet. Hier geistern große Namen herum, wie Keimzeit, Veronika Fischer, die Prinzen...
JB: Prinzen-Schlagzeuger Andy Ziehme ist ein guter Freund von mir und als sie vor Jahren eine Weihnachtsplatte veröffentlichten, habe ich die Drums dafür aufgenommen. Das war allerdings noch nicht hier, sondern in Treuenbrietzen, wo ich die ersten zehn Jahre meiner Studiotätigkeit verbracht habe. Heute ist es ja eher so, dass viele Künstler ihre eigenen Reviere haben und große Studios nicht mehr brauchen. In der digitalen Welt gibt es diese Unterschiedlichkeiten nicht mehr, die genau bestimmten, von wem etwas in welchem Studio aufgenommen worden ist. Diese Markenzeichen, die aufgrund der Vorlieben der Tontechniker, der vorhandenen Technik und der unterschiedlichen Akustik vorhanden waren, sind größtenteils nicht mehr da. Heute bekommt man überall auf der ganzen Welt die gleichen Plug Ins und viele Leute nehmen voreingestellte Dinge und schauen nach Presets, wie beispielsweise „Gesang weiblich“, drücken dann auf „Enter“ und fertig ist es. Bei einem analogen Gerät musst du eben auch noch selbst hin fassen und so lange daran drehen, bis der Klang deinem Gefühl entspricht. Obwohl das weitgehend verloren gegangen ist, betreibe ich Studioarbeit nach wie vor noch so, auch wenn es mit Aufwand und Zeit verbunden ist, denn der innovative Effekt und letztlich der künstlerisch kreative ist so viel größer. Ich mache mir gerne die Mühe, ein Zweizoll-Band aufzulegen, weil ich den klanglichen Effekt durchaus schätze...
SP: Du machst das also hauptberuflich? Die Ausstattung kostet ja sicher viel Geld...
JB: Ich bin Freiberufler, mache Studioarbeit und eben auch die Live-Betreuung. Hauptklienten dabei sind Keimzeit, die ich mittlerweile seit 1994 begleite...
SP: Dann sind wir uns sicher schon begegnet. Wir hatten mehrere Drehs mit Keimzeit, den letzten in Bad Belzig mit Orchester...
JB: Das ist schon eine Weile her und war das Projekt mit dem Babelsberger Filmorchester, mit dem wir nun auch Studioaufnahmen gemacht haben, die am 25. April als Doppel-LP auf Vinyl und CD erscheinen. Ich war dabei als Engineer und Produzent tätig, was doch schon ein Stück Arbeit gewesen ist. Bei einer Band wie Keimzeit, die seit über dreißig Jahren Musik macht, gibt es ja im Prinzip schon alles und das auch mehrfach. Trotzdem ist diese Produktion, auch in den Arrangements, so noch nicht da gewesen und eine einzigartige Sache, die letztendlich, neben einigen Skeptikern, mittlerweile auch gut angenommen wird...
SP: Ich kann mich erinnern, dass auch SIX, zumindest live, mit einem Orchester unterwegs gewesen sind...
JB: Auch mit denen habe ich schon einen Orchester-Livemitschnitt gemacht, wobei der allerdings bisher nicht veröffentlicht worden ist. Das war in der Cottbuser Stadthalle mit der Staatskapelle Zielona Gora. Stefan Krähe hatte mich angerufen und meinte: „Lass uns das mal mitnehmen, wer weiß, ob wir das noch einmal brauchen...“ Das finde ich richtig so. Besser so herum, als wenn man später einen Riesengig hatte und dann sagt: „Hätten wir mal...“ Das Ergebnis war dann auch ziemlich gut, aber bisher ist noch kein Tonträger draus geworden. Liegt also erstmal noch auf Halde...
SP: Torsten, Jürgen Block hat schon mit vielen Größen zu tun gehabt, wie ist es für Dich, hier mit ihm zu arbeiten?
TG: Es ist für mich etwas besonderes und auch eine Ehre, hier produzieren zu dürfen. Auch wenn ich kein großer Sportler bin, stelle ich schon fest, dass hier in einer hohen Liga gespielt wird, was die Ausstattung des Studios und Jürgens Können betrifft...
SP: Warum hast Du Dich letztendlich für Jürgen entschieden? Kanntet Ihr euch? Oder war es der Preis?
TG: Nein, der Preis war es bestimmt nicht... Ich genieße die vertrauensvolle Atmosphäre und das entspannte Arbeiten. Jürgen kenne ich aus unserer gemeinsamen Arbeit am „Puls-T“ - Album vor ein paar Jahren. In einer recht überschaubaren, regionalen Musikerszene gibt es natürlich immer partiell Berührungen, so natürlich auch in Brandenburg und dem Fläming. Wir haben damals einen wirklich guten Tipp bekommen, der überzeugender nicht sein konnte: Martin Weigel, der mittlerweile Keimzeit-Musiker ist, hatte uns mit leuchtenden Augen von Jürgen und dem Studio erzählt. Wenn Menschen mit ihren Emotionen dabei sind, werden sie für mich am glaubwürdigsten, und da war Martin recht überzeugend...
JB: Das ist ja auch ein Gitarristen-Paradies hier...
TG: Damals sind Thoralf Pötsch und ich dann einfach mal nach Lütte gefahren und haben mit dem Jürgen gequatscht. Und wir waren uns schnell einig. So hat es angefangen und diesen Weg möchte ich hier auch weitergehen. Ich kann mich in Jürgens Vorstellungen hineinversetzen und mich mit seinen Ansätzen gut identifizieren...
JB: Es war eigentlich die gleiche Sache damals, Ihr habt die Vorproduktion geleistet und ich den Mix und das Mastering...
TG: Was wir heute hier tun, ist letztendlich ein Kompromiss aus Budget, Zeitaufwand, Arbeitsweisen und Möglichkeiten der einzelnen Beteiligten. Ich wünschte mir in Zukunft noch ganz andere Arbeitsmethoden. Gerne würde ich noch mehr abgeben und mich letztendlich mehr um meine Texte und Gesänge kümmern können. Den Rest würde ich gerne den Leuten überlassen, die gut darin sind. Ich würde gerne mal ein komplettes Album hier produzieren, von den Instrumental-Aufnahmen bis hin zum Endmix. Das wage ich mich allerdings erst, wenn sich eine Band gefunden hat, die gerne meine Texte vertont und die letztendlich über Proben und Konzerte zusammengewachsen ist und Freude hat an dem, was sie tut. Keine Dienstleister eben. Menschen mit Freude an der Musik, die auch die Zeit dafür haben und einen tieferen Sinn dabei sehen. Ich finde, das geht über das Internet nur bedingt. Feeling entwickelst Du nur zusammen, Zusammengehörigkeitsgefühl sowieso. Die soziale Komponente ist ohnehin von hoher Bedeutung für mich und letztendlich ist die Arbeit und der Umgang mit den einzelnen Künstlern eine spannende und inspirierende Angelegenheit, in der Großartiges entstehen kann. Das wäre dann auch wieder Studioarbeit, wie ich sie noch kenne mit all ihren Vorteilen.
SP: Also du fühlst dich hier sehr wohl...
TG: Ja, vor allem auch, weil ich das so nicht kannte. Ich habe ein paar Jahre lang, noch mit Fauxpas, in Berlin aufgenommen und da war ich schon einmal gestresst, wenn ich am Studio angelangt bin, schon alleine durch den Verkehr... Da lief dann eben auch gnadenlos die Uhr. Was für den einen angemessene Preise sind, ist für jemand anderen mitunter unerschwinglich. Mich hat das unter enormen Druck gesetzt. Ich konnte die Musik nicht mehr lebendig und emotional behandeln und hatte letztendlich nur noch Zahlen und das Geschäft im Kopf. Nebenher musste ich einsingen, worauf ich mich kaum konzentrieren konnte. Es war zwar von der Qualität her alles top zum Schluss und die „Therapie“-Scheibe ist klanglich immer noch eine der besten, die wir gemacht haben, aber mit der Arbeitsweise konnte ich nichts mehr anfangen. Hier fühle ich mich einfach wohler. Ich fahre erst einmal eine Weile durch den Wald, ehe ich hier bin und das ist schonmal sehr schön für mich...
SP: Das Gefühl für die Musik kommt vielleicht auch gerade dadurch...
JB: Das ist eben auch mein Ansatz. Eine meiner AGBs, oder auch lebensethischer Einstellungen ist, dass ich glaube, dass Kunst und Musik eben nicht planbar sind. Also sage ich auch nicht: „Passt auf, ihr habt das Studio um zehn gebucht und wenn ihr erst um zwölf kommt, ist es mir doch egal.“ Ich möchte den Leuten also rein geschäftlich schon im Vorfeld den Druck nehmen. So handhabe ich das von Anfang an und das hat sich auch bewährt. Wenn Leute ein neues Studio buchen, wissen sie meist nicht, was passieren wird und deshalb biete ich ihnen an, dass sie einfach mal herkommen und wir eine Aufnahme simulieren. Vielleicht lernen wir uns ja schon gut kennen und können mal all die Dinge abzuleuchten: Welche Musik machen sie, wie gut sind sie, welches ist die beste Arbeitsweise, was ist das für ein Studio, was ist der Block für ein Typ, wie fühle ich mich hier aufgehoben? Wenn das alles abgeklärt ist, dann kann man ja immer noch sagen: „Nee, ach das ist nichts...“ Dann hat es nichts gekostet außer den Aufwand an sich, aber das ist doch immer noch besser, als wenn man etwas bucht, irgendwohin fährt und nicht weiß, was da los ist...
SP: Wie viele Songs werden letztendlich auf die CD kommen?
TG: Dreizehn Songs sollen es werden...
SP: Die alle selbst geschrieben sind?
TG: Sie sind von Daniel Perlick komponiert und arrangiert worden und ich habe sie vertextet. Einige Stücken sind als Kompositionen schon vorhanden gewesen, andere hat er mir quasi auf den Leib geschrieben, nachdem wir uns etwas besser kennengelernt hatten. Das Interessante an der Arbeit hier ist, dass der Jürgen den Songs noch einmal seine eigene Note gibt...
SP: Das sollte so sein...
TG: Na der Jürgen ist schon speziell. Es gibt ja die reinen Dienstleister, die es so hin drehen wie man es möchte...
SP: und eben welche, die mitdenken...
TG: Genau... Dabei merkst du seine Vielseitigkeit und Erfahrung und ich bin auch ganz dankbar für seine Rückmeldungen, denn Daniel Perlick und ich arbeiten ja schon eine Weile an dem Album und irgendwann bist du betriebsblind oder hast dich verzettelt und weißt nicht mehr, ob es gut oder schlecht ist und ob man es den Leuten überhaupt geben kann. Dann ist es ganz gut, wenn zum Schluss jetzt noch einmal jemand sein Segen dazu gibt. Ich bin mit der Arbeit von beiden einfach hochzufrieden, da sie sich prima ergänzen und wir auch in einem ständigen Lern- und Entwicklungsprozess sind. Teamarbeit ohne Eitelkeiten, das finde ich klasse...
SP: Wovon handeln die Texte, worüber schreibst Du hauptsächlich? Sind sie in deutsch gehalten?
TG: Ja, es sind deutsche Texte. Eine andere Sprache beherrsche ich nicht. Also zumindest nicht so gut, dass ich das den Leuten zumuten möchte. Bei diesem Album habe ich auch keinen Wert auf große Lyrik und Formulierungen gelegt, da kam viel aus dem Bauch heraus und ich habe es einfach mal ignoriert, wenn sich bei diesem oder jenem Song zwei Anläufe später der Kopf gemeldet hat. Es sollte ein wenig wie früher sein: pure Emotionen, aber sicher auch Gedanken, die sicher nicht alle korrekt und mit aller Welt kompatibel sind. Inhaltlich beschreibe ich Dinge die mich in den letzten Jahren bewegt haben, eigene kleine Tragödien, aber auch, was mich gesellschaftspolitisch bewegt, geängstigt und auch geärgert hat und auch immer noch tut. Denn diese Dinge beeinflussen mich nachhaltig. Aber auch durchaus positive Geschichten und Veränderungen finden den Weg auf das Album. Schlager werden es wohl, trotz einiger mitsingbarer Refrains, dennoch nicht werden. Einige der Texte sind recht direkt und unverblümt. Das sollte dieses Mal auch so sein.
SP: Sind auch die Instrumente hier eingespielt worden?
TG: Die Instrumente sind in Rathenow in Daniel Perlicks Homebase von ihm selbst eingespielt worden. Da ist auch ein wenig Programmierung dabei, aber das war von Anfang an der Plan. Letztendlich ist das der Charakter der CD: eine elektronische Basis, über die klassische Rockmusik gelegt wurde, wobei die eingespielten Instrumente hier bei Jürgen noch einmal durch die analogen Geräte gejagt werden. Die Gesänge habe ich selbst in Brandenburg aufgenommen, dabei letzte Texte geschrieben und mich mit technischen Problemen rumgeschlagen. So geschieht jetzt in der letzten Phase einiges parallel, muss hier mal eine Gitarre nachgebessert oder dort ein Gesang noch einmal aufgenommen werden. Da müssen wir uns hin und wieder updaten und es ist erstaunlich, wie wenig bei dieser für mich doch etwas chaotischen Arbeitsweise verloren geht. Aber ich habe in zwanzig Jahren musikalischen Schaffens nur schwer Struktur da rein bekommen und man muss sich zudem auch immer wieder auf die Arbeitsweisen anderer Menschen einstellen. Dafür sind wir hier aber ganz gut im Rennen...
SP: Die Arbeit hier am Album, wie geht man da ran? Wie ist die Arbeit für Dich Jürgen, ist es ein Unterschied zu den Dingen, die Du sonst machst?
JB: Aufgrund der Jahre, in denen ich das jetzt schon wieder mehr oder weniger intensiv betreibe, wiederholen sich logischerweise Dinge. Trotzdem gehe ich immer so daran, dass jede Produktion eine Herausforderung ist, egal wie groß oder klein oder wie professionell sie ist. Wenn ein siebenjähriges Mädchen ein Lied für seine Mutti singen möchte, ist es genauso eine Aufgabe, wie wenn ein erfahrener Künstler kommt. In diesem speziellen Fall hier ist es wieder Rockmusik, wo auch mal das Schlagzeug und die Gitarren laut zu hören sind und in der ein bisschen die Attitüde der späten 80er und 90er Jahre drin steckt. Es ist eine Produktion, die ich nicht selber aufgenommen habe und bei der ich als Quereinsteiger im Mixprozess dazu komme und von Torsten sehr viel Vertrauen erhalte. Er sagt dann: „Mach mal einfach...“ und das macht schon Spaß, mehr als wenn du mit zig Künstlern und Labelchefs zu tun hast und du bei vier Leuten auf sechs Meinungen kommst und irgendwie nicht mehr weißt, was letztendlich zählt...
SP: Wie heißt der Song, den wir gerade hören?
TG: Das ist „Tanz mit mir“ und gerade hören wir am Gesang, dass hier mal noch so gar nichts stimmt...
JB: Aber dagegen gibt es Zaubermittel...
TG: Es ist natürlich die Frage, ob es gut oder schlecht ist, wenn man trickst...
SP: Wer trickst denn heutzutage nicht?
JB: Nun, trotz analoger Studiowelt mache ich mir die digitale Bearbeitungswelt zu Nutze. Hier gilt es aber auch immer zu vermeiden, dass Musiker oder Künstler so daran gehen, dass sie sagen: "ich mach das mal irgendwie, später kann man das ja alles gerade rücken..." Musik muss gemacht, nicht erfunden werden, das ist meine grundethische Einstellung. Wenn dann mal eine Kleinigkeit schief geht, ob nun im Timing oder in der Tonhöhe, das kann ein Computer korrigieren, aber Gefühl kann der eben nicht reindrücken. Ich merze gerne eine Unpässlichkeit aus, aber wenn etwas gefühllos gesungen oder gespielt oder völlig unmusikalisch ist, dafür gibt es dann keine Mittel. Man kann sicher Elektronik, also im Sinne von Computerinstrumenten oder computergenerierter Musik, bemühen, aber die ist eben unmenschlich. So wie im Hip Hop beispielsweise, wobei es Unterschiede gab im europäischen der ersten sechs Jahre und dem der Amerikaner, die dann doch schonmal einen Flügel aufnahmen oder eben etwas anderes und damit wenigstens noch ein bisschen instrumentale Musik beigesteuert haben. Mittlerweile aber können das einige Europäer auch ganz gut...
SP: Also ist dein Steckenpferd eher die handgemachte Musik. Rock, Jazz? Ich denke mal, Techno fällt eher raus...
JB: Ich habe solche Dinge auch schon gemacht. Nicht die großen Insider-Sachen, aber Dance-Remixe sind mir nicht fremd. Zum Beispiel haben wir „Blue Print“ von den Rainbirds für einen DJ remixed, der eine Version im Jan Wayne-Style, so die Vorgabe, haben wollte. Das haben wir dann nicht am Computer umgesetzt, sondern so richtig mit dem ganzen analogen Zeug hier...
SP: Bei dem Song, den wir eben gehört haben, war ja nun schon alles dabei von Bass und Gitarren. zwei glaube ich...
JB: Gitarren gibt es beim guten Daniel Perlick reichlich, du siehst ja, wie viele Regler hier hochgeschoben sind...
SP: Das Schlagzeug ist programmiert?
JB: Ja, das ist programmiert. Hier ist mein Ansatz, dass ich diesen programmierten Schlagzeuger wie einen richtigen Drummer behandle. Die Impulse kommen ja nicht vom Menschen, sondern von einer MIDI-Spur und wenn ich beim Mixen merke, „Mensch, aber hier ist ne Stelle, ein Break, der unmenschlich klingt, so würde ein Drummer das nicht machen, der würde das da ein wenig vorziehen...“, dann bearbeite ich eben die Noten in der Spur, dass es ein wenig humanized wird. Solche Dinge versuche ich dann zu korrigieren, wenn das vielleicht im Umfang der Vorarbeiten ein wenig untergegangen ist...
SP: Humanized ist ein schönes Wort...
TG: Das ist wieder einer der Kompromisse. Trotzdem es ersichtlich sein darf, dass das Drumset programmiert ist, weil die Songs im Grund ohnehin elektronisch angelegt sind, sollen sie später auch von Musikern spielbar sein. In einigen Songs setzt sich die Rockkomponente mit den Gitarren obendrauf mehr durch, während andere sehr in die elektronische Richtung gehen. Doch es kommt oft genug der Rocker zum Vorschein, wo ich Daniel und mich auch beheimatet sehe...
JB: Eben, das liegt ja der Musik zugrunde. Wenn ich diese Stücke mit Musikern produzieren würde, ginge ich genauso heran. Dann würden die Drums nach Klicktrack eingespielt, weil die Songs eben auch so arrangiert sind und es würde ein relativ straighter Drumsound erzeugt und es wäre nicht so viel anders, als jetzt. Es ist die Frage, ob der Komponist oder Arrangeur, in dem Fall Daniel Perlick, sagt: „Ja, das ist das, was ich mir ausgedacht habe und das würde ich von dem Drummer genauso haben wollen...“, oder ob er eben dessen persönliche Note zulässt. Klar ist: Für diese Songs würdest du sicher keinen Jazz-Drummer hinsetzen oder den einer Rockabilly-Band, sondern doch schon so ein „Rock-Tier“ und der würde das dann auch genauso spielen plus eben ein paar Prozent eigener Nuancen. Von daher ist es egal, von welcher Seite man da jetzt im Produktionsprozess angreift, nur sollen aus meiner Sicht eben die Drums nicht klingen wie ein Drumcomputer von Atari...
TG: Nee, um Gottes Willen...
JB: Daher kann man das sehen, wie man will und eben auch so machen. Die anderen Instrumente allerdings sind wirklich gespielt. Hier hörst du zum Beispiel den Bass, schön verzerrtes Zeugs gerade, aber man hört, es ist wirklich gespielt...
SP: Wie weit seid Ihr im Prozess?
TG: Kann ich nicht wirklich sagen, weil der Prozess recht offen ist...
JB: Die Arbeiten mit Torsten, die Aufnahmen und Mixarbeiten gehen einher. Es ist nicht so, dass wir erst aufnehmen und dann später mixen, sondern vieles läuft parallel. Manchmal muss Torsten ein wenig den Mix bremsen, weil er sagt: "da fehlt noch die Sängerin oder dies und das..." Da müssen wir uns gut absprechen, weil ich als analog arbeitender Mensch nicht die Möglichkeit eines „Total-Recall“ habe, also dass ich sage, ich rufe das Projekt wieder auf und alles ist wie vor vier Wochen. Es muss also jeder Song wieder neu hier aufgelegt und „verkabelt“ werden. Die Dinge, die ich an den Geräten einstelle, kommen aus meinem Gefühl heraus, aus meiner Erfahrungen oder Lust und Laune, wie eben ein Gitarrist ein Solo spielt und damit sein Gefühl zu dem Stück ausdrückt, ist es bei diesen Einstellungen hier eben das, was jetzt aus mir kommt, ohne dass es auf dem Zettel steht. Das ist also aus der Situation heraus geboren, so empfinde ich ja auch das Mixen. Das ist für mich Studioarbeit. Wenn ich einen Mix mache und der ist heute abgeschlossen und in einer Woche oder zwei Jahren sagt Torsten oder wer auch immer, da müssen wir noch einmal ran, da ist an einer Stelle die Hi Hat ein bisschen zu laut oder zu leise, dann ist das ein erheblicher Aufwand. Deshalb gehe ich mit vollem Körper- und Geisteseinsatz an diese Arbeit, das erwarte ich von mir und das verlange ich von einem Musiker eben auch. Und wenn ich mich geirrt habe, dann habe ich es eben nochmal zu machen und dann ist es aber auch gut, dass ich es nochmal mache. Erfahrungen haben gezeigt, dass viele Künstler das Mixen nicht wirklich ernst nehmen, nur mit dem halben Ohr dabei sind oder der Meinung, dass man ja morgen oder irgendwann weitermachen könne. Das geht eben bei analoger Technik nicht und ich denkem dass es auch gut ist, wenn man intensiv an die Arbeit geht, weil sonst nichts wirklich fertig wird. Leider haben das viele verlernt...
SP: Bist Du täglich hier Torsten?
TG: Da ich zu Jürgen viel Vertrauen habe, muss ich nicht jeden Tag dabei sein. Er macht da vieles selbst und dann komme ich her und höre es mir an und sage...
JB: Oh Nein...
TG: Nein, so ist es nicht. Im Gegenteil. Oft bin ich überrascht und erfreut, was dabei herauskommt, auch wenn ich manches erst einmal ein wenig wirken lassen muss.
JB: Es ist ja sicher auch für einen Künstler spannend zu sagen: "ich gebe das da hin und weiß so ungefähr was passiert...", wenn er vielleicht nicht die Zeit, die Lust und die Ideen hat, um bei jedem Kram dabei zu sein... Diese Sachen hier sind schon ganz schöne Mammutwerke und ich sitze an einem Stück ungefähr ein Tag. Wenn ich alleine bin, hat das für mich den Vorteil, dass ich auch mal sagen kann: "So, ich höre nichts mehr, ich sehe nichts mehr, ich gehe mal ne Stunde mit dem Hund in den Wald..." Wenn eine Band hier ist, hat man schon einen anderen Druck. Für den Künstler hat es den Vorteil dass man sagt: "Hier, es ist fertig, höre es Dir mal an..." Natürlich ist meine persönliche Note darin, meine Ideen, je nachdem, wie wir es kommuniziert haben. Dadurch, dass ich diese Produktion fast fertig bekommen habe, steckt auch nicht so viel Vorgeschichte von mir drin. Sachen, die ich selber aufgenommen habe, also die ich vom Entstehen der Songs an betreue, nehme ich dann schon so auf, wie ich die Instrumente abbilden würde. Da habe ich noch einmal andere Möglichkeiten und die Sache baut sich anders auf, während es hier ein Quereinstieg war. Hier sind viele Dinge gegeben und klar und aufgrund meiner Erfahrung weiß ich, dass eine Metalgitarre eben eine Metalgitarre ist. Da wäre ich blöd zu sagen, dass wir da mal einen Countrysong draus machen...
TG: Das machen wir dann in 20 Jahren... oder mit 'nem Orchester...
SP: Aber wie viele Studiotage Ihr insgesamt hier beschäftigt seid, könnt Ihr nicht sagen?
TG: Das haben wir noch nicht ausgerechnet und wenn wir das jetzt tun würden, bekäme ich wohl ein schlechtes Gewissen...
SP: Du hast das Ganze über Crowdfunding finanzieren können. Wie schwer war der Schritt? Für Aufnahmen braucht man Geld und das meist nicht wenig und dass das im Crowdfunding funktioniert hat, heißt ja auch, dass Du einen Riesenzuspruch gehabt hast. Es gibt andere Bands, die das nicht geschafft haben. Ist das jetzt Lob oder Motivation gewesen, dass Dich so viele Menschen unterstützen dabei?
TG: Also erstmal war es eine Wahnsinns-Sache. Es hat mich total berührt, dass dieses Geld zusammengekommen ist und es scheinbar einigen Menschen viel bedeutet, was ich tue. Darunter sind Leute, die mich teilweise schon seit zwanzig Jahren musikalisch kennen und welche, die da auch größere Summen gegeben haben und das hat mich fast ein bisschen beschämt, muss ich sagen. Früher habe ich für diese Summen noch selbst gesorgt. Überhaupt dieser Schritt Crowdfunding, damit an die Öffentlichkeit zu gehen und zu sagen: „Hey, ich bin pleite, ich brauche Geld...“, war schon schwierig. Dann aber dachte ich, dass es auch eine Chance ist, dieses Album letztendlich erscheinen zu lassen. Es liegt mir sehr am Herzen, dass es auf den Markt kommt, weil mir diese Songs sehr wichtig geworden sind und ich möchte einen Abschluss finden, um eben auch andere Dinge jetzt anzugehen. Dass das Crowdfunding geklappt hat, veränderte meine Sichtweise noch einmal dahingehend, gewisse Sachen einfach positiver zu sehen, gerade auch an manch düsteren Tagen, in denen ich fast verzweifle. Die Sache ging schon sehr ans Herz und hat mich sehr berührt, weil ich nicht gedacht hätte, dass da so eine Resonanz kommt. Wenn ich daran denke, berührt mich das sehr...
SP: Wie viel Geld hast Du gebraucht?
TG: Das lässt sich schwer in Zahlen ausdrücken, weil es schwer ist, neben dem Wert der Materialien den der Arbeit der jeweiligen Menschen und der Kunst generell zu bestimmen. Ich habe damals eine Summe von 3500 Euro veranschlagt um zu sagen: "okay, damit kann ich erstmal anfangen". Wie sich das zum Schluss verteilen wird, ist so gar nicht absehbar... Ich mache mir zwar einen groben Plan und grundlegende Rechnungen müssen auch bezahlt werden, aber wenn ich da schon zu sehr ins Detail gehen würde, dann würde ich es von vornherein sein lassen. Dann hätte ich auch eine ganz andere Summe beim Crowdfunding ansetzen müssen. Nun aber ist die Grundausstattung des Albums gedeckt, auch dank der sehr wohlwollenden Partner in meinem Team, denen ich dafür sehr dankbar bin. Zu sehr darf ich mich damit nicht befassen. Wenn ich anfange, über Zahlen nachzudenken, dann bin ich kurz vor Aufgeben. An dieser Stelle würde ich mich sehr über Partner freuen...
SP: Was soll mit der CD passieren, wenn sie fertig ist? Wird sie gebrannt oder gepresst und wenn ja, in welcher Stückzahl? Sicher hast Du ja das Ziel, die Songs an den Mann zu bringen...
TG: Natürlich soll das Album unter die Leute... Mir ist es wichtig, dass die Songs gehört werden. In welcher Größenordnung das Album letztendlich erscheint, kann ich so noch nicht sagen. Damals, als ich in Puls-T noch meine Zukunft gesehen hatte, habe ich ein Label gegründet. Im Moment sieht alles danach aus, als würde die Scheibe erstmal darauf erscheinen. Allerdings bin ich noch auf Vertriebssuche, weil sich der angedachte Partner über Nacht plötzlich in Luft aufgelöst hat, glücklicherweise bevor die Verträge unterzeichnet und die CDs ausgeliefert sind, denn der Verantwortliche ist nicht mehr zu erreichen. Solche Dinge passieren dann auch mal ganz schnell und sind, neben den eigentlichen Studioarbeiten, sehr stressig und bringen mich an meine Grenzen.
JB: Die Arbeit, die kaum jemand sieht... Eine CD herstellen besteht eben nicht nur aus Komposition und Aufnehmen, sondern nimmt eben auch anderweitig Zeit, Mühe und Aufwendungen in Anspruch...
TG: Genau deswegen bin ich auf der Suche nach neuen und verlässlichen Geschäftspartnern, die sich professioneller Strukturen bedienen können, an welche ich solche Dinge wie Vertrieb oder auch das Booking abgeben könnte. Das ist nicht so mein Metier und da gibt es Leute, die das wesentlich besser können und auch besser aufgestellt sind. Es wäre also schön, auch dort Partner zu finden. Wenn das so in der Kürze der Zeit nun nicht geschehen sollte, dann wird die CD nach dem Mastering auf jeden Fall in einer 1000er Auflage gepresst, so dass sie erstmal da ist und später auf vielleicht abenteuerlichen Wegen in den Handel gelangen kann und bei den gängigen Online-Händlern und den paar Plattenhändlern, die es vielleicht noch gibt, zumindest bestellbar ist. Auf jeden Fall aber wird sie erstmal über meine Website erhältlich sein...
JB: Das Ziel eines Albums ist doch immer Gold...
TG: Interessante Sichtweise, aber ich bin kein Sportler. Mir ist es wichtiger, die Menschen inhaltlich zu erreichen und natürlich Leute auf den Konzerten zu haben. Chartplatzierungen hängen ohnehin mit so vielen Faktoren zusammen, die gar nichts mit der Musik oder Message zu tun haben und von daher ist es mir wurscht ob sie nun Gold oder Platin oder irgendwas erreicht. Wenn ich ein Konzert gebe und die Leute kommen und singen auch noch die Songs mit, dann ist das für mich der Ritterschlag, also die Krönung, das höchste der Gefühle, da gibt es dann kaum noch etwas drüber, außer die Liebe zu meiner Tochter natürlich. Ich hatte das große Glück, solche Konzerte in meinem Leben schon spielen zu dürfen und da möchte ich wieder hin...
JB: Trotzdem ist die Entwicklung recht interessant. Es war damals im Zuge der Kolumbus-Platte mit Keimzeit angedacht, auch einmal in den USA zu produzieren und als wir Dennis Moody, einen guten Freund von uns, im Paramount-Studio in Los Angeles besuchten, da hingen da die ganzen goldenen Dinger rum. Aber das Land ist eben auch groß und da ist ein ganz anderer Markt vorhanden, da wird wesentlich mehr verkauft. Generell weiß ich nicht, ob es dort noch besser funktioniert, aber hier ist die Zeit definitiv vorbei, in der Bands wie Keimzeit, die ich nicht zu den kommerziellen Mega-Bands zähle, dreißig- bis fünfzigtausend Stück absetzen.
SP: Gut, unabhängig davon, wie Musik entsteht oder gemacht wird, haben die Leute damals eben doch mehr gekauft, weil es kaum andere Möglichkeiten gab, als eben mit dem Kassettenrekorder vielleicht während einer Radiosendung die Charts mitzuschneiden, wo dann noch vom Moderator in die Song reingesprochen worden ist und man sich trotzdem über das Mixtape gefreut hat. Das waren damals die technischen Möglichkeiten und heute läuft eben vieles über das Internet, da kamen die Tauschbörsen und CDs werden kopiert und es ist eben auch so, dass man wirklich jeden Song irgendwo frei erhält...
JB: Ja, das ist das eine und die andere Sache ist, dass Medienpräsenz mit Popularität einher geht - und mit zu erwartenden Tonträgerverkäufen. An Udo Lindenberg war eben gleich das ZDF dran, Warner hängt die Nummer ganz oben hin und es funktioniert... Jetzt hängt Peter Maffay ganz oben, da sind dann alle auf dem Trittbrett und der Mensch ist medienpräsent, ob das nun bei McDonalds läuft oder im Fernsehen, ist egal, und folglich wird der auch soundsoviel Platten verkaufen. Ob die nun viel besser ist oder die einer netten Indie-Band, das können die Leute nicht mehr bewerten, weil sie gar nicht mehr die Möglichkeiten haben zu vergleichen. Also ist die mediale Manipulation schon extrem und die ist auch noch schlimmer geworden in den letzten 10 Jahren...
SP: Eben, denn neben den Aushängeschildern gibt es ja verdammt viele gute Bands, vielleicht nicht immer vom Niveau, dass sie tausende von Platten verkaufen würden, aber alleine schon im Land Brandenburg treffe ich seit dreizehn Jahren, seitdem ich selbst aktiv bin, immer wieder auf talentierte Einzelkünstler oder kleine Bands, die wirklich schöne Abende gestalten können. Die aber dümpeln alle rum, spielen für 200 Euro in der Kneipe und das war es. Zwei Monate später haben sie dann den nächsten Gig...
JB: Wenn Dir die breite Masse fehlt, wird Dir letztendlich als Band nichts anderes übrig bleiben, als Konzerte zu spielen und eben auch darüber Tonträger zu verkaufen, indem man sie direkt an die Leute bringt. Es ist das einzige, was nach wie vor bleibt und was auch funktioniert, bis hin zu größeren Projekten...
TG: Ich denke auch, dass man sich die Leute erspielen muss. Man kann natürlich auf eine riesige Werbemaschinerie setzen, aber dazu fehlen zumindest mir die Mittel und bei diesem Weg würde ich mich nicht unbedingt wohl fühlen. Es ist schöner, in Interaktionen mit den Menschen zu sein, sie zwar auf mich aufmerksam zu machen, aber nicht zu suggerieren, dass ich ein ganz großes und geiles Ding bin, das man unbedingt gesehen haben muss. Konzerte sind Leben für mich, kein Spot oder eine Werbeanzeige. Mir die Menschen zu erspielen, wie ich es mit Fauxpas einst tat, ist für mich der schönere Weg. Problematisch wird es dann natürlich für die Komponisten, die nicht gerne selbst rausgehen. aber das würde für mich nicht in Frage kommen...
JB: Da bist Du dann schnell in der Werbebranche, als Filmmusikproduzent. Da kenne ich einige, aber das ist noch schwerer. Da kommen dann andere Daumschrauben. Erst wartest Du ewig auf einen Auftrag und dann geht es los und dann kommen die Erwartungen, die gewünschten Veränderungen und alles innerhalb kürzester Zeit. Eine hektische Sache, mit der dann wenige umgehen können. Es ist ja nicht jeder gleich Hans Zimmer, der dann ein großes Team hat. Und selbst der sagt, dass der Druck enorm ist. Du kannst auch nicht wirklich frei arbeiten, musst PlugIns benutzen, weil weder Zeit noch Budget es hergeben, ein Orchesterarrangement mit Musikern einzuspielen. Da werden die Streicher mal schnell am Synthie produziert. Mit Musik verdienst du ja heute kein Geld, Musik kostet Geld. Diese Mentalität einer Feierabendband, die sagt: "okay, ich gehe nicht Tischtennis spielen, sondern ich treffe mich mit Kumpels zum Musik machen und das ist mein Hobby, das kostet ein bisschen Geld..., das hat sich allerdings hochgepflanzt bis hierher, siehe mein Studio. Sicher ist es ein professionelles Studio mit einer richtig guten Ausstattung, sage ich jetzt mal großkotzig, aber es ist keine Maschine zum Gelddrucken. Die Studios, die das mal geschafft haben, die gibt es ja nicht mehr und die paar gut ausgestatteten, die es noch gibt, betreiben es als ihre Modelleisenbahn, da zähle ich mich dazu. Wenn ich nicht Enthusiast wäre, der Spaß daran hätte, das zu tun und dieses und jenes dafür zu kaufen, dann würde ich es nicht machen. Diejenigen, die komplett auf Kommerz aus sind, die haben einen Rechner, ein Mikro, ein Interface und sagen: "Jetzt machen wir mal volle Kanne Werbejingles..." Da gibt es dann sicher keine Zugeständnisse in Form von: "ach komm doch mal vorbei, lass uns ein bisschen fummeln, du machst Musik, das gefällt mir und ob hinten was bei rauskommt, wer weiß das schon..." Natürlich hat auch jeder mal Hunger...
TG: Ja, das ist ja eben auch eine Gratwanderung und die Momente, in denen ich manchmal ein bisschen ans Aufhören denke... Wenn da nicht in den richtigen Augenblicken die Rückmeldungen von Leuten kommen würden, die mich bestärken und sagen: "Komm mach!" oder die hier und da auch mal ein wenig Geld geben, nur dass es weitergeht, dann würde ich dieses Album nicht produzieren. Ich halte es sogar irgendwie für eine Pflicht, aus dem, was ich so halbwegs kann, etwas zu machen. Wenn die Leute das in mir sehen, dann nehme ich dieses Stück Anerkennung gerne an, dann ist es vielleicht sogar eine Berufung. Wenn ich allerdings angetreten wäre, um Geld zu verdienen, dann sollte ich es sein lassen. Sicher kann das kurzzeitig gut funktionieren, aber wenn ich etwas tue, das ich nicht in mir spüre, ist es früher oder später zum Scheitern verurteilt.
JB: Es ist natürlich leichter, wenn Du eine Nebenbeschäftigung hast, die so viel Geld abwirft. dass Du Dir diese Ausflüge leisten kannst. Dann hast Du eben Deine fetten Filmproduktionen und kannst auch gerne hochwertiges Studioequipment kaufen und gibst eben das Geld dafür wieder gerne aus.
TG: Nur leider stehen nur die Leute ganz oben vor dieser Entscheidung, etwas zurückgeben zu können, zumindest materiell gesehen. Wir hier müssen eben zusehen, wie wir über den Tag kommen und ich finde den Spagat sehr schwierig zwischen dem, was verlangt ist oder wo kriegen wir Essen und Miete her und dem, was wir wirklich wollen. Da können wir ganz lange philosophieren. Das ist nicht gerade einfach, weil gesellschaftlich auch lange nicht akzeptiert. Erst wenn du kommerziell erfolgreich bist, erkennen viele Menschen an, was Du tust. Das finde ich sehr schade...
SP: Diesen Schritt schaffen wirklich wenige... Ich denke da an Sebastian Block, der auch einen sehr schwierigen Weg in Berlin geht, aber eben dort wenigstens gute und gewillte Musiker gefunden hat...
TG: Ich denke, es ist nicht leicht und man sollte nicht auf materielle Sicherheiten setzen oder in den nächsten 20 Jahren ein Haus bauen wollen. Wenn du das willst, lass es lieber sein...
SP: Es gibt Künstler, die ich kenne, die sind im Radio gelaufen etc. und das hat finanziell eben nichts zu sagen, die waren im Fernsehen, sind ständig präsent und von denen höre ich immer wieder etwas und trotzdem haben die kein Geld in der Tasche...
TG: Ja eben, und das sollte vorher klar sein, bevor du diesen Weg gehst... Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Es gibt ohnehin in keinem Job absolute Sicherheit, aber ich habe ein finanziell gesehen gutes Leben am unteren Rande des Mittelstands aufgegeben, um, ich sage mal, diesen Quatsch hier zu machen. Mein anderes Leben aber hat mich krank gemacht und ich spüre, dass es richtig ist, weiter diesen Weg zu verfolgen. Ich bin heutzutage auch gar nicht mehr fähig, in die Arbeitswelt mit ihren Anforderungen und vergifteten Atmosphären einzutauchen. Zumindest nicht in das, was man den ersten Arbeitsmarkt nennt. Ich bin da immer noch auf der Suche nach meiner Nische. Und selbst, wenn es die Musik irgendwann nicht mehr sein sollte, wird es vielleicht das Schreiben sein. Auch Familienleben gestaltet sich nicht gerade einfach. Ich habe viel verloren, aber bin dabei, mich selbst zurück zu gewinnen. Musiker sind oft eben nur auf der Bühne interessant. Was es heißt, mit ihnen zu leben, ist den meisten nicht klar. Deswegen würde der ein oder andere Hit schon nicht schlecht sein, um vielleicht wieder ein ruhigeres Gewissen zu haben und zu wissen, was mein Beitrag zum gesellschaftlichen Leben ist. Ich weiß, dass es wertvoll ist, was wir tun, genauso wie auch die Arbeit einer Altenpflegerin einen Wert hat. Nur leider wird beides nicht wirklich anerkannt. Ich bewundere trotzdem die Menschen in sogenannten soliden Jobs, die sich dem Irrsinn jeden Tag hingeben können und den Laden irgendwie am Laufen halten, unter schwersten Bedingungen Ich landete bei diesen Versuchen regelmäßig in der Psychiatrie. Wir sollten einfach wieder mehr die Arbeiten des Anderen achten, unabhängig vom ohnehin unter zweifelhaften Kriterien betrachteten, kruden Marktwert.
JB: Gut, Du kannst schon mit Musik etwas erreichen, wenn einmal etwas erfolgreich gewesen ist. Auch da kann man dann Nachhaltigkeit erreichen. Die Gema zahlt allerdings dann... ein bisschen.. .
SP: Torsten, Du sagtest, dass Du wieder Konzerte spielen willst. Wo genau soll denn die musikalische Reise für dich jetzt noch hingehen? Hast Du Träume und Ziele, sagst Du: ich guck was dabei rauskommt oder kämpfst Du schon um etwas?
TG: Ich sehe, wie schon gesagt, die Musik, oder zumindest auch das Schreiben, schon als Lebensentwurf. Musik war immer die Konstante in meinem Leben, obwohl ich ja nichtmal Musiker bin. Ich bin Texter und vielleicht auch Sänger, wenn man beide Augen zudrückt, aber die Reise soll zumindest dahin gehen, wo ich schonmal war, eben auf die Bühne zu gehen und ein eigenes Publikum zu haben. Und das ist für mich auch sehr spannend zu sehen, ob das Publikum noch da ist. Das große Ziel ist die Bühne, das ist das Größte für mich: der Kontakt mit den Menschen, zu spüren, da ist jemand. Studioarbeit kann auch ganz schön einsam machen und zermürbend sein, genauso wie das Schreiben. Richtig aufgehen kann ich erst auf der Bühne, da habe ich das Gefühl, Mensch zu sein, ohne mich verstellen zu müssen. Da soll es wieder hingehen, das wäre schön. Momentan bin ich mit einigen Musikern im Gespräch und schauen wir mal...
SP: Genau das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen: Wie nah bist Du dem Ziel auf die Bühne zu kommen? Dieses Jahr vielleicht noch? Gibt es da schon etwas Konkretes?
TG: Also wenn ich etwas in meinem Leben gelernt habe, dann ist es die Erkenntnis, dass ich mir keinen zu großen Druck mehr machen sollte, wenn ich halbwegs gesund bleiben will. Es gab schon einige Proben, erstes Beschnuppern, auch teilweise mit Leuten, mit denen ich schon einmal etwas gemacht habe und einiges ist ganz gut gelaufen. Ich halte es für realistisch, in diesem Jahr noch auf die Bühne zu gehen, vielleicht so zum Ende hin. Ich will es halt wachsen lassen, will auf jeden Fall ein gutes Gefühl dabei haben, da soll nichts erzwungen sein oder unter großem Termindruck entstehen und ich denke, da fahre ich zur Zeit ganz gut mit...
SP: Ich habe schon gemerkt, dass sich einiges bei Dir verändert hat. Du warst ja nun Frontmann meherer Bands und bist Texter. Was konkret ist in den letzten Jahren anders geworden?
TG: Nun, es hat sich einiges verändert. Während ich früher die ganze Welt zum Feind hatte und da viel Wut transportiert habe, ist dem der Blick nach innen gewichen. Jetzt frage ich mich oft "Wie geht es mir mit bestimmten Sachen und wie kann ich mit diesen Geschichten umgehen?" und das hat sich in den Texten und Songs bemerkbar gemacht, denke ich. Und ich bin auch vielseitiger geworden. Früher waren es eher Rockgeschichten, denen ich mich hingab, jetzt mache ich auch schonmal Lesungen in Kliniken mit Akustik-Begleitungen. Dieses Album jetzt ist wieder ein wenig lauter, weil da ein Rockmusiker am Werk war, aber, das ist eben nur eine meiner Facetten. Ich bin gespannt, wo es mich noch hinführt, bin offen, für andere Wege und neue Kontakte. Das hat natürlich auch damit etwas zu tun, dass ich irgendwann gezwungen war, mich als Mensch zu hinterfragen. Ich habe gelebt wie eine Maschine, war ein Zyniker, und ich möchte dem Menschen, der ich früher gewesen bin, nicht begegnet sein. Aber wir sind keine Maschinen, wir sind Menschen, mit all unseren Gefühlen. Die habe ich lange Zeit nicht gespürt. Nun aber bin ich bereit, sie anzunehmen, die positiven wie die als negativ empfundenen. Wie ich früher nicht weinen konnte, hatte ich auch das Lachen verlernt. Es ist immer noch mühsam, aber ich bin gespannt, was mich im Leben noch erwartet. Wieder neugierig sein zu dürfen, vor allem auf mich selbst, dafür bin ich dankbar...
SP: Ich habe da noch eine persönliche Frage... Hin und wieder kam mir zu Ohren, dass du in der Nazi-Szene unterwegs gewesen sein sollst. Was ist denn da dran?
TG: Wenn es darum geht, zu Zeiten der DDR beim Fußball mit blöden, pubertären, im Nachhinein sicher nicht ungefährlichen, Sprüchen provoziert zu haben, muss ich sagen, dass ich schon hin und wieder dabei war, wobei ich mich allerdings nie wohlgefühlt habe. Alkohol tat in meinem Fall ein Übriges. Das Leben in der DDR war nicht besonders schön für mich gewesen. Oft war ich nicht ich selbst, habe Anschluss gesucht, was keine Rechtfertigung sein soll. Die Szene war damals, zumindest in Brandenburg aber noch nicht ausgeprägt, das kam erst später- Eigentlich waren wir nicht mehr als Angstbeißer, in der Masse stark, dämlicher Kram eben. In meinem Buch „Toddes Tage“ habe ich diese Zeit und wie es mir damit ging, ziemlich genau beschrieben. Nach der Wende dann, als die Symboliken und Rufe nicht nur in den Stadien erschreckende Ausmaße angenommen hatten, bin ich nicht mehr zum Fußball gegangen. Aber natürlich kannte ich die Leute immer noch, nur dass sie jetzt Glatzen und Springerstiefel trugen. Ich hatte dann einen Irokesenschnitt, hörte Punk und dann kam es schon vor, dass Dir die gleichen Leute an die Haut wollten, mit denen du zwei Jahre vorher noch unterwegs gewesen bist. Wir hatten hier zwei- drei Jahre einen nahezu rechtsfreien Raum, eine Zeit, in der ich mich in Brandenburg und überhaupt in Deutschland sehr unwohl gefühlt habe. Diese Zeit will ich irgendwann auch noch einmal in einem Buch verarbeiten. Da ist einiges hängengeblieben. Heute sind rechts und links sind für mich ohnehin eher Richtungsangaben. Ich versuche vielmehr, mich nach meinen Begriffen menschlich zu verhalten. Das ist ein Thema, das sich nicht in ein paar Minuten abhandeln lässt, wie sich überhaupt die Geschichte eines Menschen nicht in fünf Minuten beschreiben oder gar beurteilen lassen kann. Wenn wir uns wirklich kennenlernen wollen, dann müssen wir uns Zeit füreinander nehmen, wenn das Interesse da ist. Die Zeit haben wir aber oft nicht und das ist nicht schlimm. Was wir aber machen können ist, Menschen nicht aufgrund von Gehörtem zu verurteilen. Damit hätten wir schon viel getan. Ich für meinen Teil versuche es zumindest, auch wenn es nicht immer einfach ist.
SP: Zum Abschluss: Was bedeutet für Dich das größte Glück, neben Deiner Tochter?
TG: Nicht allein zu sein. Das möchte ich nie wieder. Ich möchte Freunde haben, die mich nehmen wie ich bin, die mir gewisse Dinge verzeihen, denn auch auf meiner Suche nach Weisheit stolpere ich immer wieder über stinknormales Menschsein...