Als ich an jenem heißen 12. August 1994 zum ersten Mal in meinem Leben mit einer Band eine Bühne betrat, war das bereits einige Jahre nachdem ich angefangen hatte, sehnsüchtige Texte zur Blues-Musik zu schreiben und sie zu singen. Angewidert von der DDR, in der wir nie auftreten durften, aber auch nie angekommen in der BRD, gingen vier junge Männer im kleinen Saal des Jugendklubhauses "Philipp Müller" und spielten ein wütendes Set vor einer vergessenen Jugend, die mit einer Zeit klarkommen musste, in der sie an jeder Straßenecke in eine der Schlägereien geraten konnte, in denen einige von ihnen bereits umgebracht worden sind und in denen auch später noch getötet wurde. Die bessere Welt, auf die wir vier Jahre zuvor noch hofften, ist im Irak, in Bosnien, in Ruanda und auf unseren eigenen Straßen zerstört worden. Und von politischen Einscheidungen. Die Eltern-Generation war mitunter orientierungslos, das Stahlwerk schmolz und walzte nicht mehr, einige von uns waren zum ersten Mal arbeitslos. Es war der Beginn von dem, was später Neo-Liberalismus genannt werden sollte, in dem Reich immer ungezügelter Arm fraß und sich all dies in extremen Denkweisen entlud. Und in Straßenkämpfen. All das waren Inhalte unserer Songs, die wir "Hass und Gewalt", "Wach auf!", "Denke daran" oder "Wollt ihr das?" nannten. Unsere Musik war irgendwo zwischen Noise, Punk und Hardcore verankert. Wir hörten Biohazard und Sick Of It All, Type O Negative und Danzig, Hass und Razzia. In den Diskotheken lief Nirvana, der Tod von Kurt Cobain berührte. Wir, das waren die Hard Facts: Tinnef, Terror, Hamster und ich.
Nun mussten wir endlich raus aus unserem Proberaum im KiJu, einem ehemaligen Kindergarten, in dem nun die Jugend irgendwie betreut werden sollte. Alles war in jener Zeit seltsam und anders geworden. Selbst der Name der Straße, in dem dieser Komplex noch heute steht und in dessen Keller alternative und rechtsextreme Bands gleichermaßen probten, war ausgetauscht worden. Sie hieß nun Willibald-Alexis-Straße. In der "Pizzeria Nummer 31", direkt gegenüber dem Konzerthaus, gab es das letzte Essen vor der Angst, während ich pleite und mit übelstem Gefühl auf dem Klo hing. Wir spielten nicht viele Songs, aber befreiten uns schreiend und auf die Instrumente dreschend vor entsetzten Augen zwanzig Minuten lang von allem erdrückenden Ballast. Tinnef und Hamster blieben gleich auf der Bühne, weil sie fünfzig Prozent der uns folgenden und bereits namhaften Addicted Giesela darstellten, deren Deutschpunk schon mehr den Geschmack des Publikums traf, bevor die über jeden Zweifel erhabenen Bloody Bones den Raum endgültig kochen ließen. Vollends glücklich dürfte mich dieser Auftritt nicht gemacht haben, aber ich habe ihn mehr als gebraucht - weil ich auf der Bühne bei all meinen Hemmungen auch eine ungeheure Kraft in mir spürte.
Die Hard Facts gab es nur 1994. Sie kamen live nie aus Brandenburg/Havel heraus und spielten nur noch einen weiteren Auftritt kurz vor Weihnachten auf dem rückblickend fast schon legendären Testton-Festival, wo so gut wie alles vertreten war, was im Rock-, Punk- und Popbereich der Stadt unterwegs gewesen ist. Unsere in jenem Jahr produzierte Demo-Kassette "Bonner Nachtleben" fand auch über die Stadtgrenzen hinaus einige Liebhaber, so wie auch ich damals vieles sammelte, was irgendwelche Untergrund-Kapellen veröffentlichten. Einige der Punk- und Hardcorebands, deren Musik mich mitunter schon in der DDR begleitete, mag ich noch immer wegen der Rebellion und der Klarheit in ihren Aussagen, jedoch kam ich selbst nie wirklich im Punk an. So war es fast symptomatisch, dass wir den Auftritt im besetzten Haus in der Klosterstraße am Silvesterabend nicht mehr spielten. In einem Raum voller Kotze und Krätze waren wir uns über unseren Weg nicht mehr einig. Einer von uns verließ uns noch an diesem Abend, wir anderen machten im nächsten Jahr nicht mehr weiter. Es folgte eine orientierungslose Zeit, bis Peter und Rayk mich für Fauxpas einfingen. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte...